Schwangerschaftsabbrüche

Bevölkerungspolitische Maßnahmen der Kontrolle und Steuerung von Sexualität und Fortpflanzung wie z.B. Schwangerschaftsabbrüche, sind untrennbar mit der Entstehung und Reproduktion des Kapitalismus verbunden. Die Einstellung kapitalistischer Gesellschaften zu Schwangerschaftsabbrüchen erscheint zwar als sei sie moralisch, wird aber tatsächlich durch ökonomische Verhältnisse bestimmt.

Die Trennung von Produktion und Reproduktion und die damit verbundene geschlechtliche Arbeitsteilung, bei der Frauen der Reproduktion und Männer der Produktion* zugeordnet werden, ist von grundlegender Bedeutung für die kapitalistische Akkumulation. Dabei wird Arbeit, die Frauen verrichten, sowie deren reproduktive Fähigkeit dem Zweck der Reproduktion einer zukünftigen Arbeiterschaft und der Reproduktion von Arbeitskraft – durch z.B. Essenszubereitung, Sex, Pflege – dienlich gemacht.

Die geschlechtliche Arbeitsteilung dient als Quelle der kapitalistischen Wertschöpfung und Ausbeutung. Indem die Reproduktionsarbeit im Kapitalismus vorwiegend im Privaten stattfindet und unentgeltlich verrichtet wird, wird sie als außerhalb der Produktion von Mehrwert angesehen und als Nicht-Arbeit entwertet. Tatsächlich aber ist sie ganz im Gegenteil für die Reproduktion der Arbeitskraft ausschlaggebend und infolgedessen unmittelbar an der Wertproduktion beteiligt. Durch die Privatisierung und Entwertung wird die Aneignung durch das Kapital jedoch verschleiert und die Ausbeutung von Reproduktionsarbeit möglich gemacht.

Die geschlechtliche Arbeitsteilung wird durch körperpolitische Maßnahmen, wie die Kriminalisierung und Moralisierung von Schwangerschaftsabbrüchen, gestützt. Indem Frauen die selbstbestimmte Entscheidung, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen, genommen wird, werden diese an ihre reproduktive Fähigkeit gebunden und in den privaten Bereich gedrängt, wo sie vorwiegend die Reproduktionsarbeit übernehmen. Selbst bei Heteropaaren, die versuchen, die Reproduktionsarbeit gerecht aufzuteilen, ändert sich dies spätestens bei der Geburt des ersten Kindes. Die unentgeltlich geleistete Reproduktionsarbeit wird so im Kapitalismus naturalisiert: Sie wird den Frauen als natürliche Fähigkeit zugeschrieben, die nicht als Qualifikation oder Kompetenz anerkannt wird.

Körperliche Selbstbestimmung ist demnach historisch und gegenwärtig eng verwoben mit den ökonomischen Verhältnissen im Kapitalismus. Dieser ist auf die Trennung zwischen Produktion und Reproduktion und der damit einhergehenden sozialen, ökonomischen und politischen Schlechterstellung der Frau angewiesen und stellt diese als natürliche Ordnung dar. Die Frau steht somit in einem doppelten Abhängigkeitsverhältnis: Zum Mann als Versorger und zu dessen Lohnarbeit als materielle Bedingung, versorgen zu können.

Damit die Entscheidung, Kinder zu bekommen oder nicht, selbstbestimmt getroffen werden kann, ist die Auflösung der geschlechtlichen Arbeitsteilung und die solidarische Organisation der Reproduktion unerlässlich.

Literatur:

Federici, Silvia (2015): Aufstand aus der Küche. Reproduktion im globalen Kapitalismus und die unvollendete feministische Revolution. Münster: edition assemblage.

Federici, Silvia (2018): Caliban und die Hexe. Frauen, der Körper und die ursprüngliche Akkumulation. Wien/Berlin: Mandelbaum kritik & utopie.

Scholz, Roswitha (2011): Das Geschlecht des Kapitalismus. Feministische Theorien und die postmoderne Metamorphose des Patriarchats. Bad Honnef: Horlemann.

Gimenez, Martha E. (2005): Capitalism and Oppression of Women. Marx Revisited. Science and Society 69 (1), Marxist Feminist Thought Today: 11–32.